Debatte: Pornografie im Namen des Feminismus, PROFIL, 5. August 2015

PROFIL, 5. August 2015: www.profil.at/kultur/debatte-pornografie-namen-feminismus-5790650

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Mainstream-Porno ist eine normierende, unrealistische Leistungsschau. Er fokussiert auf männliche Sexualität, engt Frauen wie Männer ein. (Laura Méritt, Kommunikationswissenschafterin)

Aber kann es feministische Pornografie überhaupt geben, wenn man lediglich Geschlechterrollen unterläuft, nicht jedoch die konventionelle Form der Pornografie? Läuft man da, trotz bester Absichten, nicht Gefahr, Teil jener Industrie zu werden, die man selbst am lautesten kritisiert? Die Kommunikationswissenschafterin Laura Méritt meint keinen Widerspruch zu erkennen: „Mainstream-Porno ist eine normierende, unrealistische Leistungsschau. Er fokussiert auf männliche Sexualität, engt Frauen wie Männer ein“, kritisiert auch sie. Gerade deshalb unterstützt die sexpositive Aktivistin Frauen, die alternative Erotikfilme produzieren. Méritt betreibt ihren eigenen Sexshop und lädt jede Woche, nicht ohne Ironie, in den Berliner „Freudensalon“: Stöhnmeditation, Beckenbodentraining und feministischer Porno stehen da etwa auf dem Programm.

In Anlehnung an die Feminist Porn Awards in Kanada riefen Méritt und ihre Kolleginnen 2009 den „PorYes“-Award ins Leben, den europäischen Filmpreis für feministische Erotika. Die Verleihung soll Aufmerksamkeit erregen, Bewusstsein schaffen. Am 17. Oktober soll die Auster, das Symbol für die sexpositive Bewegung, in Berlin zum vierten Mal vergeben werden. Unter den vergangenen Preisträgerinnen finden sich Pionierinnen des feministischen Pornos wie die Amerikanerinnen Candida Royalle und Annie Sprinkle, aber auch Petra Joy. Royalle, in ihren Zwanzigern selbst Pornodarstellerin, gründete als eine der ersten Frauen 1984 ihre eigene Produktionsfirma „Femme Productions“. Mittlerweile haben sich die Brennpunkte des Indie-Porn von den USA auf Deutschland und Spanien (wo etwa die schwedische Regisseurin-Produzentin Erika Lust arbeitet) ausgeweitet. Auch in Australien greifen laut Petra Joy immer mehr Frauen selbst zur Kamera.

Degradierte Männer?

Ein Mann tanzt zwischen roten und schwarzen Luftballons, in seiner Hand eine Rose. Sein Körper pulsiert im Takt der Musik. Lustvoll-verrucht blickt er in die Kamera. Genüsslich streckt er seine Zunge nach der Rose aus, leckt über die Blütenblätter. Später lehnt er sich in einem Sessel zurück, masturbiert: Feministischer Porno dreht den Spieß um, macht Männer statt Frauen zu Objekten der Begierde. In einer weiteren Szene in „(S)he Comes“ drillt eine Darstellerin ihren Liebhaber am Strand: Liegestütze zu ihren Füßen, Pfiff. Aufstehen, Sprint. Pfiff. Und wieder auf den Boden. Sieht so Gleichberechtigung aus? Fühlen sich Männer durch solche Bilder nicht ebenso degradiert wie Frauen in Mainstream-Pornos? Bishop Black, Darsteller in Joys Ende 2015 erscheinendem Film „Come Together“, verneint: „Natürlich besteht wie in vielen Bewegungen die Gefahr, in ein Extrem umzuschlagen, das mit der ursprünglichen Intention nicht mehr vereinbar ist. Aber Darsteller in feministischen Pornos haben die Freiheit, zu sagen, wenn sie sich unwohl fühlen.“

Bei aller Kritik an der Industrie tastet man das Grundkonzept Porno auch hier nicht an. Denn wer die Masse erreichen will, muss liefern, was sie möchte: explizite Inhalte, simple Darstellungen. Niemand will bei der bildunterstützten Selbstbefriedigung Liebesgeständnisse oder gar Genderdebatten hören. Man will sehen, was Lust macht. Alternative Sexfilme lösen sich nicht von den Spielregeln der Industrie, sondern variieren deren Spielarten. Ob Mann, Frau oder Transgender, alle werden darin gleichermaßen zu Objekten – oder eben: zu gleichberechtigten Lustvorlagen mit feministischem Logo.

Knapp 80 Prozent der über 3000 befragten Internetuser zwischen 14 und 29 Jahren haben laut österreichischem Jugend-Trend-Monitor 2014 schon einmal einen Porno gesehen. Gerade deshalb seien feministische Erotika eine boomende Sparte, so Méritt: „In einer übersexualisierten Gesellschaft wie der unseren kann alternativer Porno große Wirkung haben. Für Qualität sind die Menschen durchaus bereit zu zahlen – auch junge Menschen und Männer.“ Der Geschlechterunterschied ist groß: Während fast 40 Prozent der männlichen Befragten mindestens ein Mal pro Woche auf Internetsites mit expliziten Inhalten surfen, sind es unter den jungen Frauen gerade einmal 3,5 Prozent. Der Markt ist klar männerdominiert, das Angebot für Frauen überschaubar. Die von einigen Gratis-Sites angebotene Kategorie „Female-friendly“ wird zwar teilweise von Frauen produziert, bildet aber ebenso wie Durchschnittsfilme meist ein Hetero-Paar ab, dessen Sex mit der Ejakulation des Mannes endet.

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