PorYes 2017: Wie Pornos den Feminismus voranbringen

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PorYes: Wie Pornos den Feminismus voranbringen
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Pornografie und Feminismus sind kein Widerspruch, im Gegenteil. Feministische Pornografie legt Kriterien für einen respektvollen Umgang miteinander fest, auch in der Sexualität, schreibt „PorYes“-Aktivistin Laura Méritt. Das wirkt bis tief hinein in die Gesellschaft.

In den letzten Jahren hat sich eine sex-positive Bewegung herausgebildet, die einen respektvollen, einvernehmlichen Umgang aller Beteiligten und eine Vielfalt an Sexualitäten fördert. Damit wird dem gesellschaftlichen Wunsch nach frauen-, männer-, genderfreundlichen pornographischen Darstellungen entsprochen, die positiv, realistisch und bewusst Lust zugänglich machen. Ausdruck findet dieser Paradigmen-Wandel in der Verleihung des Feministischen Pornofilmpreises in Berlin, dem PorYes-Award. Dieses Jahr findet er zum fünften Mal statt und zeichnet besondere Produktionen aus verschiedenen Kulturen und Generationen aus. Damit wird auch eine alternative Sex- und Porngeschichte geschrieben.

Kontrapunkt zur Mainstream-Pornografie

Die Initiatorinnen rundum das Netzwerk Freudenfluss und Sexclusivitäten, dem ersten frauenorientierten Sex-Unternehmen und sexuellen Kommunikationszentrum Europas, setzen damit einen Kontrapunkt zur konservativen und kategorisierenden Mainstream-Pornografie, die immer noch stark von sexistischen und diskriminierenden Darstellungen geprägt ist.

Frauen werden häufig als passive Objekte gezeigt, die wie selbstverständlich die Wünsche des Mannes bedienen. Männer werden auf unsensible, irreale Dauerständer reduziert. Andere Geschlechter, Entwürfe und Praktiken werden als Fetische oder Perversitäten eingeordnet. Damit bleibt wenig Raum für einen positiven, mutigen und bewussten Zugang zur eigenen Lust und einen wertschätzenden Umgang mit dem eigenen und anderen Körpern.

Bildersturm der Pornoindustrie

Der sexpositive Flügel der Frauenbewegung setzt sich seit den 60ern für einen anderen positiven Zugang zu Sexualität und Körper ein und hat nicht nur in der Gesundheitsbewegung schon viel bewirkt. Sexualanatomische Aufklärung, die den ganzen (klitoralen) Sexualkomplex und dessen Verbindungen miteinbezieht sowie eine positive nicht beschämende Sprache werden ergänzt durch lustbetonte und einvernehmliche Darstellungen von Sexualität. Nach der Revolutionierung der Sexspielzeuge (die nun aus gesundheitsverträglichen Materialien edel designt daher kommen) ist jetzt der Bildersturm in der Pornoindustrie angesagt.

Besonders junge Leute suchen bei aller kommerziellen Sexualisierung des Alltags realistische Informationen über Sexualität, die ihnen Schule und andere Bildungsinstitutionen nicht bieten. Der Aufklärungskanon ist noch größtenteils von Fortpflanzung geprägt, während das Internet Suchende mit XXL-Formaten zuspritzt.

Ein gesellschaftlicher Bildungsauftrag

Feministische Pornografie greift den (mangelhaft bis gar nicht ausgeführten) gesellschaftlichen Bildungsauftrag auf und vermittelt Angebote in sexueller Anatomie, Kommunikation und Verhalten, aber auch zur Konstruiertheit und Geschichtlichkeit von Sexualität und deren Darstellung, der Pornografie. Entsprechende Veranstaltungen werden in alt eingesessenen Institutionen wie neueren Kulturorten durchgeführt, so dass unterschiedliche Generationen und Zielgruppen angesprochen werden.

Sex sells, gerade weil wir nicht genug darüber wissen oder bewusst Wissen vorenthalten wird. Auch in der Universität ist Pornografie als Forschungsfeld angekommen, das Machtverhältnisse untersucht.

Intelligent fickt gut

Was in Feministischer Pornografie deutlich wird, sind Kriterien für einen respektvollen Umgang miteinander, auch in der Sexualität. „Konsens und Vielfalt – Fairporn“ heißt eine weitere Veranstaltung am „PorYes“-Wochenende im Oktober und beinhaltet alles Wünschenswerte für eine demokratische Gesellschaft. Wie entsteht Konsens (wie finde ich heraus, was ich möchte und was nicht und wie kommuniziere ich das), wie können wir Vielfalt herstellen und wie das Setting – respektive die Arbeitsverhältnisse beim Pornodreh – lebenswert gestalten? Die Beschäftigung mit Sexualität und Pornografie zieht Positions- und Perspektivenwechsel nach sich. Weitreichende Auswirkungen bis in die privaten Beziehungen hinein stellen sich ein, die schweigend hingenommene (Macht-)Verhältnisse ins Wanken bringen können.

Feminismus ist sexy und präsentiert sich einmal mehr von der politisch progressiven Seite. Sexualwissenschaftlich aktuell und geschlechterpolitisch wegweisend wurde die Veränderung der Erotikkultur eingeleitet, aus der altbackenen Sexualmoral entsteht eine Verhandlungsmoral. Porno? PorYes! Denn Intelligent fickt gut! Viva la Vulva!