FSK18! – die PorYes-Lecture des taz.lab: “Hängende Schwänze! Das gibt’s!“ TAZ.BLOGS, 26. April 2015

TAZ.BLOGS, 26. April 2015: http://blogs.taz.de/tazlab/2015/04/26/haengende-schwaenze-das-gibts/

Eine skurrile Situation: Mehr als hundert Menschen sitzen in einem Konferenzraum und sehen sich Pornos an. Feministische Pornos. Diese werden dann ernst ausgewertet und analysiert.

Dr. Laura Méritt erklärt. Sie ist Linguistin, Kommunikationsforscherin und Teil der PorYes-Bewegung, die für feministische Pornographie eintritt. Feministische Pornographie sieht sich im Gegensatz zur Mainstream-Pornographie, die “sexistisch, langweilig, rassistisch und doof” sei. Es folgen zwei Pornos mit gleicher Besetzung, aber unterschiedlichem Ansatz. Der erste ist feministisch, der zweite Mainstream. Beide Filme zeigen eine Szene zu dritt, zwei Männer und eine Frau.

Beim ersten Film verwöhnen die Männer die Frau, langsame Musik im Hintergrund, die Frau und ihre Lust steht im Vordergrund. Und wird realistisch dargestellt – nicht wie in vielen Pornos, wo die Frau auf wundersame Weise nach fünf Minuten der Penetration in einem lauten Orgasmus aufgeht. Das jedoch passiert im zweiten Film, der mit schnellen, harten Beats unterlegt ist und in dem die Männer und ihre Orgasmen Ziel und Fokus sind.

Ein schwarzer Mann suggeriere, dass der Penis riesig sei

Feministische Pornographie fügt sich in moderne Feminismen ein: Es geht nicht nur, wie der Name suggerieren könnte, um die Interessen der Frau, sondern der Ansatz ist ein ganzheitlicher. Es geht um faire Arbeitsbedingungen der Darsteller_innen und um Sexiness von Verhütung. Es geht um Vielfalt der Geschlechter, der Sexualität, der Praktiken, Kulturen und des Alters.

Das heißt, transgender Menschen werden ebenso gezeigt wie Menschen über 50, BDSM-Praktiken mit einer dominanten Frau genauso wie People of Colour. Aber auch liebevoller und harter Heterosex. Realistisch eben. Körper dürfen auch normal reagiern. Laura Méritt dazu begeistert: “Hängende Schwänze! Das gibt’s!“

Die meisten folgenden Filme wirken jedoch eher wie Kunstwerke. Schwarz-weiß, Arthouse, Indie – sie sind viel, aber nicht unbedingt klassisch sexy. Das kann daran liegen, dass viele der Filmemacher_innen ihre Werke nicht als Pornographie einordnen möchten. Genau wegen der Assoziationen zum Mainstream-Porno.

An FemPorn ranzukommen, ist schwierig. Weil derartige Werbung in Deutschland noch immer verboten ist, sind die Filme nicht sehr bekannt. Kostenpflichtig können sie auf einigen wenigen Internetseiten erworben werden.

Auch der Vertrieb in Mainstream-Sexshops gestaltet sich schwierig: Méritt erzählt, einmal haben sie einem Shop einen Film angeboten, auf dessen Coverbild ein schwarzer Mann eine weiße Frau umarmt. Das gehe nicht, sagt der Betreiber – ein schwarzer Mann suggeriere, dass der Penis riesig sei. Diese Erwartung werde nicht erfüllt. Das Cover muss geändert werden.

Sarah Emminghaus